Digitale Verbindung Wald und erste Verarbeitungsstufe
Im Rahmen der Initiative Wald & Holz 4.0 wurden zwei Machbarkeitsstudien erstellt, die anhand eines konkreten Fallbeispiels Möglichkeiten und Voraussetzungen aufzeigen. Die erste Machbarkeitsstudie behandelt die Umsetzung von Industrie 4.0 (digitaler Zwilling) im Wald (biologische + technische Produktion), inkl. Schnittstelle zur ersten Verarbeitungsstufe. Die zweite hat die Umsetzung des Datenstandards ELDATsmart in der Schweiz zum Thema.
Die biologische und technische Produktion in der Forstwirtschaft unterlag bereits den letzten Jahrzehnten einem starken Wandel der administrativen Arbeitsgestaltung. An Orten, an denen früher ein gut geführtes Revierbuch und eine Holzliste, händisch verfasst auf einem Blatt Papier, die sachgemässe Bewirtschaftung von Forstrevieren und den Holzverkauf weitgehend sicherstellten, findet sich der Förster heutzutage als Spielball notwendig gewordener, digitaler Helfer wieder. Manch Einer wünscht sich daher die «gute alte Zeit» zurück, die er aber bei näherem Betrachten nicht mehr finden kann. Eine sich schnell verändernde Welt hat auch die einst beschaulich anmutende Forstwirtschaft eingeholt. Durch Klimawandel befeuerte Kalamitätsereignisse wie Windwurf, Borkenkäfer und Schneebruch lassen die mühsam aufgestellte Forstbetriebsplanung innerhalb weniger Tage wertlos erscheinen. Die daraus resultierenden starken Preisschwankungen des Rohstoffs Holz haben Auswirkungen auf den Forstbetrieb, den Forstunternehmer und weiter auf die Holzindustrie. Zwangsläufig erscheint es daher nötig, mit digitaler Unterstützung ein Stück Stabilität zurück zu gewinnen. Industrie 4.0 kann hierzu den notwendigen Baustein liefern, vorhandene Hilfsmittel automatisierter und anwenderfreundlicher in den Arbeitsalltag zu integrieren, als es bisher der Fall ist.
Die Vision des «stehenden Holzlagers 4.0»
Eine Vision, was Industrie 4.0 in diesem Spannungsfeld für die Forstwirtschaft von der biologischen Produktion bis zur ersten Verarbeitungsstufe leisten könnte, formulierte Stefan Flückiger, Leiter des Forstbetriebs der Burgergemeinde Bern, in einem Interview: «Wäre es möglich, den Wald als sortimentsscharfes, «stehendes Holzlager» zu sehen, so hätte man die Option, jeden Tag neu auf veränderte Produktionsrahmenbedingungen zu reagieren». Selbst bei ungünstigen Marktsituationen könnte er der holzverarbeitenden Industrie den Bereitstellungskosten-gerechten Zugriff auf das exakt benötigte Holzsortiment auch dort noch ermöglichen, wo Hiebe bisher pauschal eingestellt werden mussten. Auch der Holzmarkt könnte dadurch eine differenziertere Dynamik erfahren, dass Nebensortimente, welche im Zuge der Bereitstellung anfallen, beim Absatz ein an das Hauptsortiment gekoppeltes Preisschild bekommen können, so Flückigers Vision.
Um zu identifizieren, welche Rolle Industrie 4.0 in diesem Kontext einnimmt und um abzuschätzen, welche Schritte einer Umsetzung dafür notwendig wären, muss man tiefer in ihre Strukturen eintauchen.
Technische Eigenschaften der Struktur
Industrie 4.0 Strukturen sind im Kern so konzipiert, dass mittels spezifischer Standards eine dezentrale Kommunikation von Akteuren ermöglicht wird. Sie liefern hierzu vereinfacht formuliert Kataloge, in denen nachzulesen ist, wie welche Akteure mit welchen Eigenschaften zu finden sind und an welcher Adresse sie aktuell gemeldet sind. Dadurch hat man den Vorteil, dass man einzelne Akteure, wie Harvester, Forwarder und LKWs, direkt und modular digital miteinander verbinden kann. Jeder Maschinentyp besitzt dabei gleiche Eigenschaften, wie z.Bsp. die Ausgabe von Produktionsdaten, die er teilen kann. Da die Verbindung grundsätzlich in beide Richtungen der Akteure möglich ist, können sie darüber hinaus auch Aufgaben empfangen oder weiterreichen. Sind die Maschinen in einem Netzwerk integriert, können die bereitgestellten Informationen auch von anderen Akteuren, wie dem Forstbetriebsleiter, bei der Maschine angefragt werden. So lassen sich z.Bsp. der Arbeitsfortschritt einsehen oder Aufträge anpassen, sofern die Rechteverteilung einen Zugriff erlaubt.
Digitale Zwillinge
Will man einen etablierten digitalen Helfer oder eine Maschine in die Industrie 4.0 Welt integrieren, so muss keine neue Lösung entwickelt werden. Benötigt wird ein Tor zu dieser Welt (Verwaltungsschale). Der «Digitale Zwilling» als virtuelles Abbild der Maschine ist dabei ein vielgenanntes Element, welches grundsätzlich in diese Schicht integriert ist. Seine Kernaufgabe ist unter anderem, die bereits digitalisierte Information seines realen Abbildes in eine vordefinierte Struktur so Industrie 4.0-konform anzubinden, dass auf Daten und Services, welche die Maschine zur Verfügung stellt, standardisiert zugegriffen werden kann.
Damit man weiss, welcher digitale Zwilling welche Services und Daten teilen kann, werden die Akteure über ein meist physisch logisches, hierarchisches Struktur- Modell zueinander in Verbindung gebracht. Diese Struktur-Kataloge können unterschiedlich ausgestaltet und definiert werden. Dabei muss darauf geachtet werden, dass man nach Möglichkeit auf bestehende Kataloge aufbaut oder diese miteinander vereinen kann.
ELDATsmart
Funktionszusammenhänge einer Produktionskette sind daraus jedoch noch nicht ersichtlich. Um einen Vorgang aus diesen Einzelelementen ganzheitlich abzubilden und die Zusammenhänge herzustellen, können Daten von verschiedenen Akteuren zusammengestellt und gemeinsam übertragen werden. Ein Beispiel im Bereich der Holzbereitstellungskette liefert hierzu der Standard ELDATsmart, welcher am Ende mit einer vollständigen Liste an Informationen eine automatisierte Holzabrechnung ermöglicht. Die Informationen werden dabei von den einzelnen Akteuren des Industrie 4.0 Netzwerks abgerufen und dann in vereinheitlichter Form dem Partner über Industrie 4.0 Kommunikationswege übermittelt.
Einführung des «Stehenden Holzlagers 4.0»
Werden diese Industrie 4.0 Elemente mit der Vision des «stehenden Holzlagers 4.0» zusammengeführt, wird deutlich, dass diese Idee vielfältige Anforderungen an das Konzept stellt. Bei einer Umsetzung muss daher die Einbindung der Vorteile von Industrie 4.0 Strukturen mit ihrer Stärke der dezentralen Vernetzung von Beteiligten inklusive ihrer digitalen Zwillinge im Vordergrund stehen. Das Ziel der Vernetzung sollte dabei sein, eine ganzheitliche Sicht der biologischen und technischen Produktion eines Forstbetriebs herstellen, und dynamische Prozesse zur Entscheidungsfindung mit hoher zeitlicher Auflösung abbilden und rückkoppeln zu können (vgl. Abbildung 1). Dadurch wird es möglich, die Wünsche der verarbeitenden Industrie in ein dynamisches Konzept konkret aufzunehmen und mit der eigenen Situation am Forstbetrieb zu vereinen. Mittels Simulationen können daraus Handlungsoptionen identifiziert und eine gesamtwirtschaftlich passende Lösung mit zeitlichem Weitblick ausgewählt werden.
Abb. 1: Mögliche Informationsströme und Warenströme der realen (orange) und virtuellen Welt ((schraffiert) zwischen Akteuren und deren digitalen Zwillingen (grau) im Zusammenspiel des «Stehenden Holzlagers 4.0». Services, welche Aufgaben wie die Simulation von Szenarien oder das Zusammenführen von Daten beinhalten, sind über die grauen Felder angedeutet (Quelle: Michael Starke, BFH)
Auch Zwischenschritte bringen Mehrwert
Eine Realisierung dieser Vision, wenngleich sie durch ihre Komplexität ein übergeordnetes Ziel darstellt, kann dennoch ein umsetzbares Ziel sein. Durch die Eigenschaft der Industrie 4.0 Struktur, welche auch als «Klebstoff» zwischen digitalisierten Objekten gesehen werden kann, können auch Zwischenschritte der Implementierung einen Mehrwert mit sich bringen, wenn die Kommunikation bisher unabhängiger Systeme ermöglicht wird. Stetig können so Insellösungen zu einem grösseren Informations-Netzwerk verbunden werden und dabei auch Elemente selbst synergetisch verbessert werden.
Text: Michael Starke, Berner Fachhochschule